...ich bin dann mal wieder daheim!

Hallo! Nach 10 Tagen melde ich mich von meinem Camino zurück. Eigentlich habe ich es vor meinem Start gewusst, es ist nicht der richtige Zeitpunkt. Ich fühlte mich nicht wirklich fit für den Weg - aber ich habe es versucht.

Es waren schöne, aber sehr anstrengende Tage, an denen ich mich vom ersten Moment an gefragt habe, was ich dort gerade mache. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit...
Und dennoch waren es schöne Tage, aber das Gefühl von meinen beiden anderen Caminos ist nicht in mir aufgekommen - dieses unbeschreibliche Glück, diese Unbeschwertheit und Leichtigkeit. Es war von Anfang an wie ein Abschiednehmen vom Camino.

Es fällt mir schwer meine Grenzen zu akzeptieren, aber ich habe diese jeden Tag gespürt.

Das Baskenland ist wunderschön, aber soooooo bergig. Ein ständiges Auf- und Ab auf kleinen, schmalen Pfaden. Gleich am ersten Tag bin ich gestürzt weil mein Gleichgewicht nicht für diese Wege geeignet ist, und so ging es ständig weiter. Ein einziger Balanceakt im Auf- und Abstieg. Trotz Stöcken war es fast unmöglich und am Liebsten wäre ich auf allen vieren den Abhang hinunter gekrochen. Meine Mitpilger haben nicht einmal bemerkt, dass Steine auf dem Weg liegen, dass der Weg uneben und eng ist und für mich war es wie Seiltanzen. Wenn es nicht über so wirklich schöne kleine Wege gegangen ist, dann ging es über ganz viel Beton - auch nicht gut für die Füße. Vom ersten Tag an hatte ich Schmerzen in der Ferse und in den Zehen - alte Freunde, ich kenne sie von meinen vorherigen Caminos (aber dort erst immer ab 450km aufwärts), Nervenreizungen, Entzündungen. Hinzu kamen Blassen ohne Ende, sonst habe ich nie Blasen.

Spätestens ab Kilometer 15 war ich nur noch am Straucheln und Stolpern, ein Laufen als ob ich viel zu viel Alkohol getrunken hätte und ich war am Ende. Gestern morgen habe ich mich mal wieder auf den Weg gemacht und nach vier Kilometern traf ich auf eine geschlossene Bar. Dort wollte ich eigentlich Frühstücken... Der nächste Ort war noch 14km entfernt, zudem waren es schon 35 Grad morgens um 10 Uhr. Ich drehte einfach mitten auf dem Weg um und ging zum vorherigen Ort zurück. Dort standen schon Menschen an der Haltestelle und der Bus kam zwei Minuten später. Ich stieg ein, in Castro Urdiales stand schon der Bus nach Bilbao und als ich in Bilbao war, stand dort der Flughafenbus bereit. Es passte alles, vielleicht hätte ich es mir sonst noch anders überlegt.

Jetzt bin ich wieder zu Hause und finde es schade, aber nicht wirklich schlimm.
Es waren schöne Tage, aber dieses Feeling wir auf meinen vorherigen Wegen kam nicht auf. Ich fand es auch schade, dass es oftmals keine Pilgerherbergen gab und man auf Hotels und Pensionen angewiesen war. Zum Teil waren alle Schlafmöglichkeiten belegt und Pilger mussten nach vielen Kilometern in den Bus steigen um woanders zu schlafen. Dieses Gefühl der Gemeinsamkeit war an etlichen Tagen nicht da.

Und dann gab es diese wunderbaren Kleinode wie die Herberge in Orio oder Pobena - mit einer tollen Hospitaliera und voller Atmosphäre.

Es war nicht mein Weg, vielleicht der falsche Zeitpunkt, aber es war dennoch schön und voller Eindrücke.

 

Ob ich noch einmal auf einen Camino starte? Ich weiß es nicht... Es war wie ein Abschied, jeden Tag ein wenig mehr, denn mein Körper hat mir ganz klar gesagt, dass es momentan so nicht geht.

Und wer weiß, was die Zeit bringen wird?! Ich fange jetzt nach meinem Urlaub mit einer Interferon-Spritzentherapie an, die MS macht es notwendig und der linke Fuß hat zwischendurch geschlappt - es geht leider nicht anders. Die Zeit wird es zeigen.

Trotz aller Traurikeit darüber, dass es nicht geklappt hat, freue ich mich zurück zu sein. Ich denke, die spontane Entscheidung war gut, richtig und sehr vernünftig.

Ich bin dann mal wieder weg!

Ich kann es noch gar nicht glauben, in wenigen Stunden geht es los. Um 2 Uhr fährt mein Zug nach Düsseldorf zum Flughafen und wenige Stunden später geht mein Flieger über Barcelona nach San Sebastian. Ich freue mich auf meinen Weg und alles was der Weg mit sich bringt.

Juni 2012

4. Juni 2012
Nun haben wir schon Juni. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Meine Wandervorbereitungen sind so gut wie abgeschlossen. Heute habe ich meine altbewährte Rucksackliste auf den aktuellen Stand gebracht und den Rucksack schon einmal zur Probe gepackt. Alles ist abgewogen, alles ist vorhanden. Ich hätte gedacht, dass der Rucksack schwerer ist als im Jahr zuvor, aber es tut sich nichts. Neu hinzugekommen sind ein Paar Wanderstöcke. Bisher war ich nie ein Freund von Wanderstöcken, aber ich habe mich dazu entschlossen es auszuprobieren. Bei den vielen Auf- und Abstiegen sind diese bestimmt hilfreich, zumal mein Gleichgewicht nicht wirklich gut ist. Bislang ist bei Stürzen auf dem Camino nie etwas passiert, außer dass es heftig wehgetan hat, aber so soll es auch bleiben.
Mir geht es gut, die Diagnose MS ist etwas gesackt, nur das manchmal sehr anstrengende Laufen erinnert mich daran und das Kribbeln, mal hier mal da. Ich habe begonnnen meine Füße täglich mit Hirschtalg einzucremen - bisher hatte ich nie Blasen auf meinen Wegen - ob´s am Hirschtalg lag - wer weiß?! So kalt und nass wie das Wetter momentan ist, macht es keinen Spaß wandern zu gehen, aber der Sommer soll wohl noch kommen. An der spanischen Atlantikküste herrschen zur Zeit Temperaturen von ca.25 Grad Celsius.

8. Juni 2012

Der Countdown läuft. In schon 10 Tagen sitze ich im Flieger und ich freue mich. Soweit wie möglich ist alles vorbereitet und gestern hat es mich mal wieder in den Wald gezogen.

Nach der Enttäuschung beim letzten Wanderversuch, haben die Beine gestern wieder gut mitgemacht. Ich habe mir, nach längerem inneren Widerstand, ein gutes Paar Wanderstöcke gekauft und diese gestern erstmals eingesetzt. Ich war flott unterwegs, es lief sich gut, der einzige Nachteil: eine Blase am rechten Daumen und starke Schmerzen in den Armen am Abend. Meine Armmuskeln sind den Gang mit Stöckern einfach nicht gewohnt, werden es aber wohl noch lernen.

Fazit: soweit im Moment alles gut, auch die neuen Schuheinlagen und die Achillesbandage sind top - keine Beschwerden.

15. Juni 2012

Unglaublich! In nur drei Tagen bin ich schon in Hondarribia gelandet und schaue mir wahrscheinlich um diese Zeit den kleinen Fischerort an. Der Rucksack ist fertig gepackt, gleich bringe ich meine Tiere und Blumen zu meinen Eltern und dann muss ich noch zwei Mal arbeiten, meine Wohnung etwas aufräumen und dann steht dem Start nichts mehr im Wege.

So gewiss ich mir bei meinen vorherigen Pilgerwegen immer war das Ziel zu erreichen, so zweifel ich dieses Mal an meinem Vorhaben. Ich hoffe, dass ich den Weg laufen kann, das alles so klappt wie ich es mir wünsche, aber mein Bauchgefühl sagt etwas anderes. In einigen Wochen werde ich wissen, ob mein Bauchgefühl richtig war. Aber egal wie es kommt, es wird für mich okay sein, ich muss es nehmen wie es kommt.

Ich freue mich auf den spanischen Sommer, auf das Meer, die Picos de Europa, die vielen schönen Städte und vor allem auf die Begegnungen mit meinen Mitpilgern, den Menschen am Wegesrand und mit mir selbst.