Die Geschichte meines Jakobsweges:
Camino Francés: (Pamplona – Santiago de Compostela): Mai 2008 --- geschrieben Oktober 2010

Via de la Plata (Sevilla – Salamanca): April/Mai 2010 --- geschrieben Dezember 2010

Via de la Plata (Salamanca – Santiago – Muxia): April/Mai 2011 --- geschrieben Mai/Juni 2011

Camino del Norte: (Hondarribia – Gurriezo): Juni 2012 --- geschrieben Juli 2012

Camino Primitivo (Oviedo - Santiago de Compostela): Mai 2014 --- geschrieben Mai bis September 2014

Camino Ingles 2017 Camino Portugues 2022

Ponte Ferreira - Melide - Boente



22. Mai 2014

Ponte Ferreira – Melide – Boente


Ich habe den Camino Primitivo tatsächlich geschafft! Heute bin ich nach einer Regenwanderung auf dem Camino Francés, in Melide, angekommen, habe meinen Weg aber noch einige Kilometer nach Boente fortgesetzt. Auch wenn ich noch nicht in Santiago de Compostela bin, habe ich mein Ziel erreicht. Dieses war vom ersten Tag an der Camino Primitivo und dieser endet in Melide. 


Die letzten ca. 50 Kilometer werde ich auf dem Camino Francés laufen, auf einer Strecke die ich im Jahr 2008 bereits gelaufen bin, an die ich aber nur wenig Erinnerungen und noch weniger Fotos habe, denn damals hat es nur geregnet.

Die Nacht in Ponte Ferreira war nicht wirklich gut. Schon früh ging es in das Bett, denn mir war einfach nur kalt, es regnete und es gab nichts zu tun. Obwohl ich so erschöpft und müde war konnte ich nicht einschlafen. Wie soll man liegen, wenn alles einfach nur weh tut?
Auf der linken Seite konnte ich nicht liegen, da mir die Hüfte weh tat, auf der rechten Seite aber auch nicht, da diese Lage ebenfalls nix für meine Hüfte war – also Rückenlage. Aber auch in dieser konnte ich nicht schlafen. Meine Zehen taten mir einfach nur weh, dabei sind sie taub wen ich sie berühre – aber Schmerzen können sie verursachen. Die Beine fühlten sich auch unruhig an, warum auch immer. Nach einem Schmerzmittel bin ich irgendwann doch noch eingeschlafen, aber der Schlaf war nicht erholsam. Ich träumte nur wirres Zeug und nichts, aber auch gar nichts, passte im Traum zusammen. 
Die Morgendämmerung kann ich schon wach im Bett liegend nicht erahnen, da die Jalousien geschlossen sind, eine Uhr habe ich nicht dabei und das Handy liegt im Rucksack, ich schlafe aber im oberen Etagenbett.

Irgendwann erwacht das Zimmer und auch ich stehe auf. Draußen hört man ein lautes Plätschern und ich erwarte das Schlimmste, hat es doch in der Nacht viel und stark geregnet.

Nachdem ich das Fenster öffne, sehe ich dass der Himmel grau ist, das Plätschern aber von dem kanalisierten Bach vor dem Fenster herrührt. Ein Teil des Baches wird in ein Wassertretbecken, oder eine große Rinne im Herbergshof abgeleitet, und es rauscht und plätschert, derweil der Himmel tief grau ist – aber es ist trocken. Um 7.30 Uhr gibt es Frühstück und ich bin froh über dieses, weil die nächste Mahlzeit ist mehr als 15 Kilometer entfernt. Schade, dass es kein Brot gibt. Es gibt eingeschweißte „Plastik-Croissants“, Frühstückskekse und Frühstückskuchen, außerdem erstmals seit Beginn des Primitivos Cornflakes. Allerdings gibt es nur heiße Milch zu den Cornflakes und so lösen diese sich sehr schnell zu einem Brei auf, aber besser als gar nichts. Nach dieser Stärkung verabschiede ich mich von der Herbergs-Mutter und mache mich auf den Weg. 


So wie der Himmel aussieht packe ich meinen Regenponcho griffbereit in den Rucksack. Ich traue dem Himmel nicht und ich glaube nicht, dass ich den Camino Francés trockenen Fußes erreiche. Ich bin in Galicien, dem grünen Spanien, das nur so grün ist, weil es so viel regnet. 


Da die Herberge einsam und alleine am Wegesrand liegt, bin ich direkt auf dem Weg, es gilt kein Dorf zu durchqueren. Wieder beginnt mein Weg auf einer kleinen, wenig befahrenen Landstraße und so komme ich relativ zügig voran. Ständig geht es leicht auf und ab, aber es ist kein Vergleich zu den vielen bergigen Etappen die zum Teil schon wieder eine Woche hinter mir liegen. 



Die Zeit vergeht so schnell und es kommt mir vor, als ob die Hospitalroute und der steile Ab- und Aufstieg nach Grandas de Salime schon ewig hinter mir liegen. Heute ist mein zwölfter Wandertag und es ist gut, dass ich bald mein Ziel erreiche. Mit jedem Tag merke ich wie meine Energie schwindet. Was von den Symptomen meiner Erschöpfung, müden und schweren Beinen, tauben Zehen ist bedingt durch die Wanderung, was ist bedingt durch meine Grunderkrankung? Ich mache mir oft Gedanken dazu und sicher höre ich mehr in mich hinein als meine Mitpilger, aber ich selbst kann diese Beschwerden nicht auseinander halten. An und für sich geht es mir gut, andererseits weiß ich, dass ich im Vergleich zu meinen vielen vorherigen Wanderungen wesentlich erschöpfter bin, schneller an meine Grenzen komme. Aber was ist Alter, was kommt von meiner Untrainiertheit und Körperfülle, was ist gesundheitlich bedingt? Ich weiß es nicht und ich schiebe diese Gedanken immer wieder von mir weg. Wenn man so Stunde um Stunde alleine einen Schritt nach dem Anderen macht, hat man viele Möglichkeiten seine Gedanken schweifen zu lassen. Der heutige Tag zählt schon nicht mehr, das heißt, nur noch zwei Tage bis Santiago de Compostela. Alles was danach kommt lasse ich auf mich zukommen. 



Nach meiner Ankunft habe ich noch 5 Tage zur freien Verfügung, am sechsten Tag nach meiner Ankunft geht mein Flieger gen Heimat. Was mache ich mit den fünf Tagen? Soll ich den Camino Finisterre anhängen? Es ist toll zu Fuß den Atlantik zu erreichen, aber ich weiß auch, wie anstrengend und weit diese Etappen sind. Ich lasse den Gedanken an diesen Weg zu, aber momentan kann ich mir nicht vorstellen, dass ich die Energie dazu habe. In drei Tagen kann und möchte ich diesen Weg nicht laufen, auch wenn ich das schon gemacht habe. Die Etappen Nr. 2 und 3 hätten jeweils über dreißig Kilometer und das habe ich bislang auf dem Primitivo abgelehnt und ich werde es auch aus Rücksicht auf mich nicht nach meiner Ankunft in Santiago laufen wollen. Aber erst einmal heißt es ankommen. 



Das Wetter weiß nicht, wie es sich entscheiden soll. Derweil ich mich Schritt für Schritt dem Camino Francés nähere klart der Himmel kurzzeitig mal auf und ich kann winzige blaue Wolkenfetzen sehen, dann zieht es wieder zu. Wie üblich führt der Weg über grüne Schotterwege, Waldwege, kleine Straßen und Feldwege. Ich passiere einen kleinen netten Rastplatz mit einer kleinen Brücke über einen Wasserlauf, einem Kreuz, einer Steinstatue. Dieser Platz scheint dem heiligen Jorge gewidmet zu sein – was auch immer der heilige Jorge gemacht hat, dass man ihm so ein schönes Eckchen gestaltet hat. 



Und wie es immer so kommt, wenn ich gerade nichts denke und mir keine Gedanken um irgendetwas mache stehen plötzlich zwei Hunde an einem Dorfrand vor mir. Der eine der beiden Hunde ist ein kleiner süßer Welpe. Neben dem Welpen allerdings steht ein grimmig ausschauender deutscher Schäferhund und knurrt und kläfft mich wild an. Mein Herz rutscht mal wieder in die Hose und beginnt laut und schnell zu schlagen. Jeden Pulsschlag spüre ich in meinem Kopf. Die letzte unangenehme Hundebegegnung liegt gerade einen Tag zurück und schon wieder komme ich in diese Situation. Der Schäferhund kommt knurrend, aber langsam auf mich zu. Ich ziehe mein Tempo an und schreite ohne Blickkontakt an ihm vorbei. Jedes Mal habe ich so eine große Angst vor diesen Begegnungen. Schäferhunde habe ich noch nie leiden können, ich mag sie optisch überhaupt nicht und ständig treffe ich diese Rasse in Spanien. Nachdem ich den knurrenden Hund passiert habe, drehe ich mich aus Angst, dass ich verfolgt werden könnte um. Und dabei passiert es: Während ich mich laufend umdrehe und nach hinten schaue, trete ich mit dem einen Fuß in den neben mir liegenden, kleinen Graben, verliere das Gleichgewicht und knalle der Länge nach auf meine rechte Schulter und das Knie. Geistig sehe ich schon vor mir, wie der Schäferhund über mich herfällt, aber nichts passiert. Mein Kopf mit dem Arm schützend stehe ich aus dem Dreck auf, und gehe rasch weiter. Beim Aufstehen sehe ich, dass der Hund sich zurückgezogen hat. Würde ich nicht immer so in Angst und Schrecken geraten wegen eines Hundes, wäre das nicht passiert. Ich würde so gerne anders reagieren, aber in diesen Situationen reagiere ich immer gleich, ohne dass ich das Geschehen beeinflussen kann. Ich durchquere das Dorf, dreckig und matschig (es hat gestern reichlich geregnet) und freue mich, dass es wieder in die Natur hinaus geht – aber letztendlich können auch hier besitzerlose Hunde rumstreunen. Am Dorfende sehe ich mal wieder eine Fatahmorgana, rote Plastikstühle, Sonnenschirme und Tische, aber keine dazugehörige Bar und auch kein Snackautomat. 


Ich laufe bergauf, in der Ferne vor mir sehe ich einige Felsen, die ich sicherlich passieren muss (ist ja immer das Gleiche, egal ob Windräder oder markante Felsformationen). Die Wolken werden immer bedrohlicher, Nebel zieht auf und der Regen lässt nicht mehr auf sich warten. Unter einem Dachvorsprung eines baufälligen Bauernhofes ziehe ich meinen Regenponcho über.


Es ist kalt und ungemütlich. Trotz langärmeligem Shirt unter der Bluse, Jacke und Poncho ist es mir, trotz nicht mangelnder Bewegung, kalt und ich werde nicht warm. Derweil ich einem Wiesenweg bergauf zu der markanten Steinformation folge, nimmt der Regen kontinuierlich zu. Weit kann ich nicht sehen, der Nebel verhüllt alles in einem Schleier. 



Kurz zuvor haben mich Lydia und eine andere Mitpilgerin überholt, sie laufen vor mir, aber hinter einer Kurve sind sie nicht mehr zu sehen. Eigentlich kann es nicht sein, dass sie ihren Vorsprung so vergrößert haben, dass ich sie nicht mehr sehe, aber sie sind entschwunden. 


Die Vögel, die mich immer laut singend auf meinem Weg begleiten sind verstummt. Nur ein einsamer Kuckuck singt weiter sein Lied. Immer wieder denke ich, dass ich mich viel zu schlecht in der Ornithologie auskenne. Viele Vögel kenne ich von der Optik, aber den zu hörenden Gesang kann ich nicht zu ordnen. Daheim habe ich mir schon mehrfach Vogelstimmen-CD´s angehört, aber am Ende der CD habe ich wieder vergessen, welcher Gesang zu welchem Vogel gehört – aber den Kuckuck erkenne ich – was auch keine Schwierigkeit darstellt.

Nachdem ich die Felseformation hinter mir gelassen habe, geht es stets leicht bergab, zum Glück auf einer Landstraße. So gerne ich in der Natur laufe, bei dem miesen Wetter, freue ich mich Beton unter den Füßen zu haben. Auf ihm rutscht man nicht so schnell aus, wie auf Wurzeln und nassen, vermoosten Steinen oder Gras. Mein Gleichgewicht ist doch etwas marode und erschöpft wie ich bin, freue ich mich über gut passierbare Wege. 



Gerade rechtzeitig stelle ich mal wieder fest, dass der Weg auf einen Schotterweg abbiegt – gut dass ich mal wieder zufällig den Blick im richtigen Moment an die richtige Stelle geguckt habe, denn ich habe nicht damit gerechnet, dass der Wegverlauf nicht die Hauptrichtung ist. Meine Hose ist trotz Poncho bis zu den Knien nass, auch wenn der Regen weniger wird.


Beim Blick zurück, dorthin wo ich her gekommen bin, kann ich sehen, dass die Wolken den Berg freigeben. Momentan weiß ich nicht wo ich bin und ich kann die bisher gelaufene Wegstrecke kilometertechnisch nicht einschätzen. Der Regen wird weniger und hört irgendwann ganz auf. Ich öffne meinen Poncho, lasse ihn zum Trocknen über dem Rucksack hängen und durchquere mehrere Dörfer. In einem dieser Dörfer soll es laut Wegbeschreibung eine Bar geben und ich freue mich auf mein zweites Frühstück und ein heißes Getränk. So kalt wie heute war mir auf meiner Wanderung bisher nie. Die Wolken lichten sich immer mehr, der Himmel wird blau und hinter einer Kurve kann ich in der Ferne Melide liegen sehen.


 Es sind sicherlich noch 10 oder etwas mehr Kilometer, aber ich kann das Ende des Primitivos vor mir sehen und das macht mich glücklich. Vor zwölf Tagen bin ich auf meinen Weg gestartet voller Zweifel und Skepsis, ob ich diesen Weg schaffen kann. Ich habe nicht damit gerechnet es bis hier hin zu schaffen und nun liegt mein erstes Ziel deutlich sichtbar vor mir – wenn auch noch in einiger Entfernung. Am Ende eines kleinen Dorfes, zu einem Zeitpunkt wo ich nicht mehr damit gerechnet habe noch auf eine Bar zu stoßen liegt eine kleine Bar am Wegesrand. Vor der Bar stehen drei spanische Pilger und winken mir entgegen. Meine beiden deutschen Mitpilger sind nicht hier, ich habe sie hier erwartet. Haben sie sich verlaufen? Wo sind sie geblieben? Ich weiß es nicht, aber ihnen wird es gut gehen. Vielleicht haben sie sich irgendwo am Wegesrand in einem Dorf untergestellt…



Entgegen meiner Gewohnheit setze ich mich in die Bar und nicht auf die Terrasse, aber nach wie vor ist mir kalt, die Hose ist noch feucht und ich muss mich dringend aufwärmen. Zu dem obligatorischen Milchkaffee gibt es ein leckeres Bocadillo. Zu der Mahlzeit und weil ich inzwischen alleine bin, packe ich meinen Reiseführer aus und mein Handy. Früher war ich immer mit meinem alten Handy unterwegs und seitdem ich das moderne Smartphone habe, ist es für mich auf dem Weg zur Gegebenheit geworden, dass wenn ich alleine bin, das Handy auspacke und nach wlan frage. Derweil ich einige Grüße verschicke und eine Nachricht von meiner Familie empfangen habe, wärme ich mich auf und ruhe ich mich aus. Laut einem Hinweisschild in der Bar sind es noch 55 Kilometer bis zur Kathedrale in Santiago. 



Nach einer ausgiebigen Pause, ich habe genügend Zeit, denn mein Bett in der privaten Albergue von Boente habe ich vorreserviert, mache ich mich auf die noch verbleibenden Kilometer. Bis Melide sind es noch 5,5 Kilometer, bis zu meinem Tagesziel Boente 11 Kilometer. Auch wenn Melide ein typisches Etappenziel unter den Pilgern ist, möchte ich nicht in dieser Stadt bleiben. In der Herberge von Melide und in der Stadt habe ich mich 2008 nicht wohl gefühlt. Die Herberge war heruntergekommen, überlaufen und laut. Nach der Einsamkeit und großen Ruhe auf dem Camino Primitivo ziehe ich es vor in kleinen Dörfern und Herbergen zu übernachten. Die Pilgermassen ab Melide werden gewöhnungsbedürftig sein, auch wenn ich sie auf meinem ersten Camino kaum wahrgenommen habe, sie mich nicht gestört haben. Nach meiner Pause sieht der Himmel so aus, als ob es nie geregnet hätte. 



Über kleine Landstraßen laufe ich auf Melide zu, dass immer näher kommt und dass ich, da es leicht erhöht liegt, gut vor mir sehen kann. Vor mir zeigt ein Wegweiser in das Dorf Compostela, aber eben nur Compostela und nicht Santiago de Compostela. 


Bei strahlendem Sonnenschein, es ist wieder warm geworden, komme ich aus der Gegenrichtung der anderen Pilger nach Melide hinein. Kurz bevor ich auf den Francés stoße, lasse ich mir in einer Bar noch einmal meine Credencial stempeln, trinke ein Glas Cola, und laufe weiter. Die Straße führt mich zur Kirche auf der großen Placa, von jetzt auf gleich sehe ich ganz viele Pilger und in mir steigt ein großes Glücksgefühl auf. Ich habe es geschafft, ich bin in Melide, dem Ende des Camino Primitivos. 


Es ist wie das Ankommen in Santiago – ich habe mein Ziel erreicht. Zwölf Tage und ca. 270 Kilometer nach meinem Start in Oviedo habe ich es geschafft. Niemals hätte ich damit gerechnet. Ich gehe in die Kirche, die menschenleer ist, und bleibe eine Weile sitzen und danke dafür, dass ich diesen Weg habe laufen dürfen. Die nächsten beiden Tage werden für mich das Sahnehäubchen, das Bonbon, das I-Tüpfelchen des Weges werden. Einzig die Herberge von Melide erkenne ich in diesem Ort wieder, sonst ist nichts in meinem Gedächtnis haften geblieben. Es sind noch fünf Kilometer bis Boente und gut gelaunt laufe ich weiter. Der Weg führt wieder von der Straße weg in´s Grüne und wohin mein Blick auch geht, sehe ich Menschen. Es kommt mir wesentlich voller vor als beim letzten Mal auf diesem Weg, aber meine gute Laune kann mir heute niemand mehr nehmen. 



Es geht auf und ab durch Eukalyptuswälder und eine Brücke aus großen Natursteinen erkenne ich wieder. 


Kurz vor Boente möchte ich in einer Bar auf die Toilette gehen, aber ich erschrecke mich als ich die sehr, sehr lange Schlange sehe und gehe weiter. Es kann nicht mehr weit sein und so ist es auch. Ich durchlaufe eine in die Länge gezogene Siedlung und erreiche eine Hauptstraße. In der oberen Etage der Dorfbar gibt es eine Herberge und ich habe mein Bett vorbestellt. Ich checke ein, genehmige mir am Tresen einen Kaffee, dann gehe ich hinauf und lasse mir mein Bett zeigen. In der Herberge gibt es ungefähr ähnlich viele Betten wie in den größeren Herbergen zuvor, aber die Stimmung unter den Mitpilgern ist ganz anders. Alle sind viel ausgelassener, aufgekratzter und vor allem lauter. Ich bin ein Exot unter ihnen. Eigentlich alle kommen vom Francés, nur ich bin einen anderen Weg gegangen und wir tauschen uns über unsere Erfahrungen aus. Viele von ihnen laufen seit über 700 Kilometern auf ihr Ziel zu und alle sind froh, weil sie wissen, die letzten beiden Tage schaffen sie auch noch. 



Als ich irgendwann wieder in die Bar komme, sitzen dort Lydia und ? bei einem späten Mittagessen. Sie sind sehr erstaunt mich zu treffen und ich bin erstaunt sie zu sehen, weil ich nicht wusste wo sie sind und damit spekuliert habe, dass sie nach wie vor vor mir laufen. Aber wie schon vermutet haben sie bei dem starken Regen Zuflucht bei einem der Häuser am Wegesrand gesucht und wurden dort willkommen geheißen. Sie haben mir wohl noch zugewunken und mich gerufen, aber ich habe sie nicht gehört und nicht gesehen. Die Beiden haben den Regen in dem Haus ausgesessen und daher auch keine Pause in der einzigen kleinen Dorfbar am Wegesrand gemacht. 


Ich setze mich zu ihnen, wir unterhalten uns noch eine Weile, dann verabschiede ich mich von Lydia. Sie möchte noch eine Ortschaft weiter gehen, da ihr Rückflug schon in wenigen Tagen geht. Ich bin mir sicher sie in Santiago noch einmal zu sehen. Die junge deutsche Studentin deren Namen ich vergessen habe, dabei haben wir seit Lugo öfter mal gequatscht, quartiert sich ebenfalls in der Albergue ein und bekommt eines der letzten Betten. Schon bald beginnt es wieder zu regnen. Meine Wäsche wäscht und trocknet heute maschinell und ich lasse den Tag Revue passieren. 



Wer hätte das gedacht – ich habe es geschafft und ich habe nicht damit gerechnet. Wenn das kein Grund zum Freuen ist.